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Recht auf Gegendarstellung auch bei Äußerung über Befindlichkeiten einer Person

Datum: 03.03.2008

Kurzbeschreibung: 

Der Antragsteller, ein bekannter österreichischer Sänger, Schauspieler und Unterhaltungskünstler, und die Antragsgegnerin, Verlegerin einer bekannten Zeitschrift für Freizeit und Unterhaltung, streiten über einen Gegendarstellungsanspruch des Antragstellers.

Auf der Titelseite einer Ausgabe im Oktober 2007 wurden in der linken oberen Hälfte unter dem Namen des Blattes eingerahmt zwei Bilder des Antragstellers (aus seiner Jugend und aus jüngerer Zeit) und innerhalb des Rahmens der Satz "X. Seine schlimme Zeit in der Gefangenschaft holt ihn jetzt ein" abgedruckt, wobei auf S. 7 des Innenteils verwiesen wurde.

Der Antragsteller ist der Meinung, es handele sich dabei um Tatsachenbehauptungen, die erfundene, unrichtige und unwahre Berichterstattung verletze ihn in seinen Rechten. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Mitteilung sei nicht gegendarstellungsfähig, weil es sich um eine Schlussfolgerung auf Meinungsebene, lediglich eine wertende Interpretation und damit um eine Meinungsäußerung handele.

Das Landgericht Offenburg hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift auf der Titelseite mit gleicher Schrift unter Hervorhebung des Wortes Gegendarstellung folgenden Text abzudrucken:

„Gegendarstellung - Auf der Titelseite von Y. Nr. ..../07 heißt es ‚X. Seine schlimme Zeit in der Gefangenschaft holt ihn jetzt ein’. Dies ist unwahr. X.

Die Berufung der Antragsgegnerin zum Oberlandesgericht Karlsruhe - Senat für Pressesachen in Freiburg - führte lediglich zu einem geringen Teilerfolg.

Der Senat führt aus, dass dem Antragsteller zu Recht ein Gegendarstellungsanspruch zuerkannt wurde: Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 bad.-württ. LPG ist der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsachenbehauptung betroffen ist. Anspruchsvoraussetzung ist dabei, dass sich die beantragte Gegendarstellung als Entgegnung auf eine in der Erstmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptung darstellt.

Maßgeblich für das Verständnis der Äußerung ist der ihr vom maßgeblichen Empfängerkreis beigelegte Sinngehalt. Adressaten sind hier vor allem die als Käufer des Presseprodukts in Betracht kommenden Passanten und Besucher von Kiosken sowie von Zeitschriftenabteilung von Supermärkten ("Kiosk-Leser"). Diese verstehen die Äußerung, jemand werde jetzt durch seine schlimme Zeit in der Gefangenschaft eingeholt, dahin, dass der Betroffene nunmehr - sei es innerlich, sei es äußerlich - mit damaligen, von ihm als längst abgeschlossen angesehenen Ereignissen oder Situationen in Berührung kommt, und zwar ohne seinen Willen und in einer ihn eher unangenehm berührenden Weise.

Die Antragsgegnerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine derartige auf innere Vorgänge und Befindlichkeiten des Betroffenen bezogene Äußerung nach allgemeiner Meinung nur dann als Tatsachenbehauptung zu werten ist, wenn die innere Tatsache erkennbar mit äußeren Geschehnissen in Beziehung gesetzt wird. Im vorliegenden Fall nennt die Äußerung keine solchen Tatsachen. Durch den Hinweis auf den im Heftinnern platzierten Artikel wird aber beim durchschnittlichen Empfänger der Eindruck erweckt, dass im angekündigten Artikel Tatsachen mitgeteilt werden, die den Schluss auf die behauptete innere Befindlichkeit des Klägers zulassen. Dies rechtfertigt nach Überzeugung des Senats die Einstufung der Äußerung als Tatsachenbehauptung.

Erfolg hat die Berufung lediglich darin, dass die Gegendarstellung nicht in derselben Schriftgröße abgedruckt werden muss, weil dadurch eine Fläche in einer Größe in Anspruch genommen würde, die das Erscheinungsbild der Titelseite in starker Weise prägen würde. Den Belangen der Pressefreiheit ist indessen nur dann Rechnung getragen, wenn die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der Gegendarstellung nicht ihre Funktion verliert, eine Identifizierung des Blattes zu ermöglichen, die als besonders wichtig erachteten Mitteilungen aufzunehmen und das Interesse des Publikums zu erregen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 29.02.2008 - 14 U 199/07 -

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